Winterreifen werden Pflicht!
Der Bundesrat hat am 26.11.2010 einer Änderung der Straßenverkehrs-Ordnung sowie der Bußgeldkatalog-Verordnung zugestimmt und damit erstmals eine tatsächliche Winterreifenpflicht beschlossen. Ab Samstag, dem 4. Dezember, darf bei Glatteis, Schneeglätte, Schneematsch, Eis- oder Reifglätte tatsächlich nur noch mit M+S- bzw. Winterreifen gefahren werden.
Das bedeutet nun a), dass bei den entsprechenden winterlichen Straßenverhältnissen nicht mehr mit Sommerreifen gefahren werden darf, mögen sie ein noch so tiefes Profil haben und b), dass man mit hoher Wahrscheinlichkeit jetzt kaum noch einen rechtzeitigen Termin für den Reifenwechsel bekommen wird, wenn man immer noch mit Sommerreifen unterwegs ist.
Bislang galt der Paragraf 2 Absatz 3a der Straßenverkehrs-Ordnung in dieser Fassung:
§ 2 Abs. 3a StVO (alte Fassung)
Straßenbenutzung durch Fahrzeuge
Bei Kraftfahrzeugen ist die Ausrüstung an die Wetterverhältnisse
anzupassen. Hierzu gehören insbesondere eine geeignete Bereifung und Frostschutzmittel
in der Scheibenwaschanlage. Wer ein kennzeichnungspflichtiges Fahrzeug mit gefährlichen
Gütern fährt, muss bei einer Sichtweite unter 50 m, bei Schneeglätte
oder Glatteis jede Gefährdung anderer ausschließen und wenn nötig
den nächsten geeigneten Platz zum Parken aufsuchen.
Die Worte "geeignete Bereifung" waren aber nicht klar genug formuliert, so dass von einer tatsächlichen Winterreifen-Pflicht bisher nicht die Rede sein konnte. Zukünftig heißt es nun wie folgt:
§ 2 Abs. 3a StVO (neue Fassung ab. 4.12.2010)
Straßenbenutzung durch Fahrzeuge
Bei Glatteis, Schneeglätte, Schneematsch, Eis- oder Reifglätte darf ein Kraftfahrzeug nur mit Reifen gefahren werden, welche die in Anhang II Nr. 2.2 der Richtlinie 92/23/EWG des Rates vom 31. März 1992 über Reifen von Kraftfahrzeugen und Kraftfahrzeuganhängern und über ihre Montage (ABl. L 129 vom 14.5.1992, S. 95), die zuletzt durch die Richtlinie 2005/11/EG (ABl. L 46 vom 17.2.2005, S. 42) geändert worden ist, beschriebenen Eigenschaften erfüllen (M+S-Reifen). Kraftfahrzeuge der Klassen M2, M3, N2 und N3 gemäß Anlage XXIX der Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung in der Fassung der Bekanntmachung vom 28. September 1988 (BGBl I S. 1793), die zuletzt durch Artikel 3 der Verordnung vom 21. April 2009 (BGBl. I S. 872) geändert worden ist, dürfen bei solchen Wetterverhältnissen auch gefahren werden, wenn an den Rädern der Antriebsachsen M+S-Reifen angebracht sind. Satz 1 gilt nicht für Nutzfahrzeuge der Land- und Forstwirtschaft sowie für Einsatzfahrzeuge der in § 35 Absatz 1 genannten Organisationen, soweit für diese Fahrzeuge bauartbedingt keine M+S-Reifen verfügbar sind. Wer ein kennzeichnungspflichtiges Fahrzeug mit gefährlichen
Gütern fährt, muss bei einer Sichtweite unter 50 m, bei Schneeglätte
oder Glatteis jede Gefährdung anderer ausschließen und wenn nötig
den nächsten geeigneten Platz zum Parken aufsuchen.
Die Bußgeldsätze werden im gleichen Atemzug verdoppelt. Kostete das Fahren ohne geeignete Bereifung bisher 20 Euro, so werden fortan 40 Euro und ein Punkt in Flensburg fällig. Kommt eine Behinderung hinzu, steigt das Bußgeld sogar auf 80 Euro.
Auch in der neuen Version der Vorschrift kommt der Begriff "Winterreifen" nicht vor — Kritiker werfen daher der neuen Verordnung vor, sie sei weiterhin nicht klar genug formuliert. Als Reifen im Sinne der Verordnung gelten neben den ausdrücklich erwähnten M+S-Reifen auch die so genannten Ganzjahresreifen (Quelle: Pressemitteilung des Bundes-Verkehrsministeriums* vom 26.11.2010). Man erkennt geeignete Winterreifen am kleinen Schneeflocken-Symbol auf der Seitenwand.
Es gibt keine zeitliche Eingrenzung der Winterreifen-Pflicht, sondern es kommt ausschließlich auf die tatsächlichen Straßenverhältnisse an.
Auslöser für die Änderung war auch ein Urteil des Oberlandesgerichts Oldenburg. Es hatte die bisherige Bußgeld-Praxis als verfassungwidrig beanstandet (im Bußgeldkatalog lautet die bisherige Formulierung "Ausrüstung eines Kraftfahrzeugs nicht an die Wetterverhältnisse angepasst"). Zukünftig wird es im Bußgeldkatalog also heißen:
Fahren bei Glatteis, Schneeglätte, Schnee-matsch, Eis- oder Reifglätte ohne Reifen, welche die in Anhang II Nr. 2.2 der Richtlinie 92/23/EWG des Rates vom 31. März 1992 über Reifen von Kraftfahrzeugen und Kraftfahrzeuganhängern und über ihre Montage (ABl. L 129 vom 14.5.1992, S. 95), die zuletzt durch die Richtlinie 2005/11/EG (ABl. L 46 vom 17.2.2005, S. 42) geändert worden ist, beschriebenen Eigenschaften erfüllen (M+S-Reifen)
... 40 Euro, mit Behinderung: 80 Euro.
Für Kraftahrzeuge über 3,5 t können diese Sätze noch höher ausfallen. Es wird aus technischen Gründen bestimmte Ausnahmeregelungen für Omnibusse sowie land- und forstwirtschaftliche Nutzfahrzeuge geben.
Gibt es eine Höchstgeschwindigkeit für Winterreifen?
Eine solche Höchstgeschwindigkeit steht zwar nicht ausdrücklich in der Straßenverkehrsordnung (die StVO schreibt vor, dass die Geschwindigkeit den Sicht-, Witterungs- und Straßenverhältnissen anzupassen ist). Jedoch ist eine Geschwindigkeitsbeschränkung für M+S-Reifen von Seiten des Herstellers zu beachten. So ist es beispielsweise denkbar, dass man vorsorglich M+S-Reifen aufziehen lässt, tatsächlich aber keine winterlichen Straßenverhältnisse herrschen. Selbst dann muss sich der Fahrer an die vom Reifenhersteller vorgegebene zulässige Höchstgeschwindigkeit für seine Reifen halten, auch auf trockener Straße. Zu den M+S-Reifen wird ein entsprechender Tacho-Aufkleber geliefert, den man für jeden Fahrer sichtbar am Armaturenbrett anbringen sollte.
Übrigens, das "Frostschutzmittel in der Scheibenwaschanlage" kommt in der neuen Version nicht mehr vor. Es dürfte wohl zu schwierig gewesen sein, auch dafür eine wasserdichte Beschreibung zu formulieren...
* Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, www.bmvbs.de
Amtliche Prüfungsfrage Nr. 2.4.41-101 / 3 Fehlerpunkte
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